Wir Nerds damals in den Achtzigern

Die Serie «Freaks and Geeks» ist Balsam auf die Seele des Nerds: Sie zeigt nämlich auf, wie wir damals in den düsteren Achtzigern missverstanden wurden.

Da ist mir, Netflix sei Dank, eine Fernsehserie über den Weg gelaufen, die mir bei ihrer ersten Ausstrahlung völlig entgangen war. Freaks and Geeks (Amazon-Affiliate) heisst sie und wird auf Netflix ohne Synchronisation angeboten.

Das kann technische Gründe haben oder daran liegen, dass die Übersetzung stinkt. Der deutsche Titel (Voll daneben, voll im Leben) lässt darauf schliessen, dass letzteres der Fall ist.

Bei diesem Sportlehrer haben die Nerds nichts zu lachen.

Die Serie wurde Ende der 1990er gedreht, spielt aber in den 1980ern. Das ist die Zeit, in der ich einen Grossteil meiner Schulbildung genoss. Und ohne jetzt in Nostalgie auszubrechen, wurde ich intensiv an jene Zeit erinnert.

Auswüchse des Schulsystems

Obwohl in den USA spielend, mit all den seltsamen Auswüchsen des Schulsystems dort wie Abschlussbälle und Cheerleadern, war der gesellschaftliche Groove aus heutiger Sicht nicht so weit auseinander, als dass man sich nicht damit identifizieren könnte: Die Rolle der Aussenseiter. Die Kämpfe gegen Bullys, die noch real und nicht sozialmedial ausgetragen wurden. Die Demütigungen im Sport. Das alles gab es auch hier und in meiner Schulzeit. Gerade der Schulsport ist aus meiner Perspektive ein düsteres Kapitel: Die Lehrer haben es mit ihrer blinden Fixierung auf die Leichtathletik – meine Verschwörungstheorie dazu ist, dass es eh nur darum ging, die Jungs auf die Armeeaushebung vorzubereiten – und den idiotischen Sporttagen geschafft, mir den Sport so nachhaltig zu vergällen, dass ich den Spass selbst mühsam zurückgewinnen musste. Ein Versagen, das nicht weniger kolossal ist als das des sadistischen Sportlehrers, der als «besonderes Vergnügen» Dodgeball spielen lässt. Ein Spiel, bei dem die Nerds so richtig eins auf die Nüsse kriegen.

Biff Tannen gibt auch einen hervorragenden sadistischen Lehrer ab

Der sadistische Lehrer wird von Thomas F. Wilson hervorragend gespielt, den man schon in «Back to the Future» als Unsympath Biff Tannen erleben durfte. Auch sonst hat die Serie einige Stars hervorgebracht. Jason Segel beispielsweise, der für die Rolle als nicht ganz so schlaksig-unbeholfener schlaksig-unbeholfener Student Marshall Eriksen in How I Met Your Mother üben konnte. Auch diverse andere Figuren, James Franco, Samm Levine oder Seth Rogen kann man in vielen anderen Produktionen sehen. Zum Glück auch die tolle Linda Cardellini, zum Beispiel in «Mad Men».

Serienschauspieler müssen keine Pappkameraden sein.

Die Serie führt vor Augen, wie anders damals die Schule war. Und auch das Fernsehen, notabene. Die Figuren waren näher am Leben dran: Es gibt keine Parade an gebleichten Zähnen, wie man sie heute selbst in Kindergartenserien ertragen muss. Die Teenie-Schauspieler dürfen ein krummes Gebiss und Oberlippenflaum tragen. Und die Auseinandersetzung mit dem Alltag der Jugendlichen findet ernsthaft. Es gibt natürlich die typischen Themen wie die verbotene Party bei Abwesenheit der Eltern – die im normalen Rahmen überbordet und nicht wie hier komplett aus dem Ruder läuft.

Das Teeniedasein war kein Zuckerlecken

Jedenfalls bleibt kein Zweifel daran, dass das Teenie-Dasein damals auch schwierig war, man aber doch weniger medialen Druck hatte – und es andere Probleme gab. Wie der Vater von Lindsay und Sam Weir, der kein Berufsjugendlicher ist, sondern aus einer anderen Generation stammt und jugendkulturellen Dingen mit totalem Unverständnis gegenübersteht – alle, die sich nicht konform aufführten, sind heute tot, gestorben, weg vom Fenster. Heute verstehen die Eltern ihre Kinder zwar auch nicht, aber sie tun wenigstens so.

«Freaks and Geeks» ist ein Beleg, dass tatsächlich auch schon vor (fast) zwanzig Jahren gutes Fernsehen gemacht wurde. Schade, dass die Serie nur eine Staffel überdauert hat.

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