Wie ihr eure soziopodische Neigung bedient

Der «Soziopod» ist ein Podcast, der die Hürden für neue Hörer hoch anlegt – der erste Ein­druck besagt, dass man es mit trocken-aka­de­mi­schen Ab­hand­lungen zu tun bekommt. Doch wer sich rein­fuchst, merkt, dass die Gesprä­che zu Sozio­logie und Philo­so­phie fun­diert und leben­snah sind.

Die Inhaltsangabe (Neudeutsch: «tagline») des Soziopod ist nun nicht gerade geeignet, Euphorie auszulösen:

«Audiophilotechnosoziokulturellepädagnostische Diskurse» würden sie anbieten, versprechen Doktor Köbel aka Dr. Nils Köbel und Herr Breitenbach aka Patrick Breitenbach.

Einzelne Folgen des Podcasts gibt es auch als Video, z.B. hier.

Umfassend, erhellend und (meistens) auf den Punkt

Das Adjektiv muss man erst einmal geparst kriegen. Falls das geschafft ist, kommen manche Leute vielleicht auf die Idee, das Wort «Pädagnostik» bei Wikipedia erfolglos nachzuschlagen. Ofmg, denkt man sich und fühlt sich zu dumm für diese Veranstaltung. Weil nun aber Holgi neulich den Podcast nachdrücklich empfohlen hat und ich mich bei Holgi nie zu dumm fühle (was nun keine Beleidigung ist, auch wenn es so klingen könnte), habe ich mir die Folge Die offene Gesellschaft und ihre Freunde in Hamburg angehört.

Die offene Gesellschaft ist ein spannendes und aktuelles Thema, denkt man sich, und ist dann als Neueinsteiger milde überrascht, dass es nicht im allgemein-weltanschaulichen oder politischen Sinn um dieses Thema geht, sondern im philosophischen. Diskutiert wird die offene Gesellschaft als Gesellschaftsmodell von Karl Popper. Inklusive Theorie zu dem Philosophen mit seinem Ansatz der Falsifikation, mit der das krtische Hinterfragen zur Standardhaltung erhoben wird. Man erfährt, dass Popper an der Demokratie vor allem gut fand, dass eine Regierung wegwählen werden konnte – und dass er Utopien für gefährlich hält, weil sie einfache Lösungen propagieren und dazu führen, dass radikale Ideen Macht über Menschen bekommen und Menschen dann dazu neigen, Gewalt auszuüben.

Obwohl es sofort ans Eingemachte geht, ist Podcast didaktisch klug aufgebaut, stringent, kompakt, und er mutet einem nur wenig davon zu, was Markus Völter von «Omega Tau» (siehe Wissenschaft mit Einschlagskraft) so schön als «Hausmeisterei» bezeichnet – selbstreferenzielle Informationen über den Podcast selbst, die überdosiert extrem langweilig wirken. Ich empfand die erste gehörte Folge daher als leicht verdaulich, sehr erhellend und ein echter Gewinn. (Trotz meines Flashbacks in die erste Hälfte der 1990-er Jahre, als ich an der Uni Zürich ein Semester Philosophie belegte, wo ich mich mit der Logikvorlesung gerade einigermassen anfreunden konnte, vor den kilometerlangen Literaturlisten aber kapituliert habe.)

Ein Beleg, dass sich der Podcast auch für sperrige Themen eignet

Fazit: Ich werde dranbleiben. Der «Soziopod» ist ein schönes Beispiel dafür, wie gut sich das Medium Podcast auch für eher sperrige und eher schwer zugängliche Themen eignet. (Eine Feststellung, die mich hoffnungsfroh stimmt, weil uns diese Folge auch gelehrt hat, dass Ideen kaum je sterben, wenn sie einmal als Meme durch die Weltgeschichte geistern. Das ist oft bedrückend, in diesem Fall aber nicht.)

Eine Show, die so wohl nicht im (Privat-)Fernsehen laufen würde. (Bild von patrickbreitenbach.de)

Für meinen Geschmack hätte der Brückenschlag von der Theorie zu unseren heutigen Konflikten zwischen offener und abgeschotteten Gesellschaften noch etwas prononcierter ausfallen dürfen. Beispielsweise im Bezug auf die Utopie des bedingungslosen Grundeinkommens, der ich gerne nachhänge. Aber das ist Detailkritik, denn diese Bezüge gab es vorwiegend im zweiten Teil, wo das Publikum (der Live öffentlich aufgezeichneten Folge) Fragen stellte und beispielsweise mit dem Rechtsextremismus, dem Kapitalismus und dem bei der Piratenpartei verwendeten Liquid Feedback einen Bezug zur Aktualität herstellte.

Darum: Hier der Feed, wenn ihr euch das auch mal antun wollt.

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