Eine patente Kamera

Der Sony Camcorder AX100e im ausführlichen Test: Sie eignet sich bestens, sich Youtuber-mässig selbst zu filmen.

Meine Patentrezepte-Videos habe ich bislang hauptsächlich mit der Legria-Mini von Canon gedreht.

Ab und zu kam auch meine Nikon D7000 zum Einsatz, sie habe ich vor allem für Nahaufnahmen mit dem Makro oder für Stillleben wie die Mac-Ansichten hier benutzt. Für die Selfie-Sequenzen taugt die Spiegelreflexkamera leider nicht, weil sie kein ausklappbares Display hat und ich somit nicht sehen kann, ob ich richtig im Bild bin. Weiterer Nachteil: Ohne Bildstabilisation kann man sie zum Filmen nur auf dem Stativ benutzen, was die Einsatzmöglichkeiten sehr einschränkt.

Und ich drehe meine Videos meist im stillen Kämmerchen… (Bild: Sony)

Ich habe über die Anschaffung eines Camcorders nachgedacht. Die Wahl ist nach längerem Hin und Her auf den Sony AX100e gefallen, der für um die 1600 Franken zu haben ist (Amazon-Affiliate). Natürlich wäre es auch günstiger gegangen.

Aber wegen des grossen Sensors habe ich mich nicht für den preiswertesten Weg entschieden: Der Sensor gibt den Bildern eine elegantere, souveräner Anmutung als die Winz-Chips der Consumer-Kameras. Ausserdem ist die AX100e etwas grösser als die Einsteiger-Modelle, weswegen sie IMHO besser in der Hand liegt.

Die Kamera spielt in der semiprofessionellen Liga und nimmt in Full-HD und in 4K auf. Nun, so schnell beabsichtige ich nicht, meine Patentrezept-Videos in 4K zu produzieren. Aber es gibt der Investition eine gewisse Zukunftssicherheit.

Forderungskatalog

Ich bin nun kein Videokamera-Experte, und daher nicht berufen, an dieser Stelle die Vor- und Nachteile zu elaborieren. Ich erkläre aber gerne, welche Punkte mir wichtig sind, die durch die Kamera teils oder voll erfüllt werden:

  • Gute Bildstabilisation, damit ich auch aus der Hand filmen kann
  • Anschlussmöglichkeit für ein externes Mikrofon
  • Fernbedienung

Mit der Legria habe ich den Ton jeweils separat aufgenommen, und zwar über das Smartlav+ von Røde (siehe Das Smartphone als Audio-Recorder). Das wird auf die Dauer aber mühsam. Es kommt nämlich so etwa jedes zehnte Mal vor, dass ich nach einem gelungenen Take feststelle, dass die Audio-Aufnahme nicht gestartet wurde und ich nun ein Bild ohne brauchbaren Ton habe.

Bei dieser Arbeitsweise bleibt es einem auch nicht erspart, Video- und Audioclips zusammen zu montieren, was besonders lästig ist, wenn man bei manchen Takes den Ton einfach hat laufen lassen, während man mehrere Video-Takes gemacht hat. Wenn der gute Ton schon in der Kamera ankommt, spart man Zeit bei der Postproduktion.

Ein Screenshot-Selfie über die Fenrsteuerungs-App

Nun habe ich allerdings noch nicht herausgefunden, ob die Sony AX100e mit dem Røde-Mikro harmoniert. Die Sache ist nämlich ein bisschen knifflig: Das Smartlav+ ist für die Nutzung mit Smartphones ausgelegt und funktioniert mit normalen Audiorekordern nicht. Warum das so ist darf gerne jemand Kompetentes in den Kommentaren erklären.

Ich als Halbgebildeter würde vermuten, dass die Belegung des Klinkensteckers beim Smartphone anders ist als beim typischen TRS-Mikrofoneingang, weil der Smartphone-Stecker Kopfhörer und Mikro in einem anschliesst. Jedenfalls kann man dieses Problem mit dem SC3-Adapter beheben. Den habe ich bestellt, er hat es aber noch nicht bis zu mir geschafft.

Tonquerelen

Zweite Hürde: Laut Røde-Support braucht das Mikro eine Phantomspeisung (wobei mir als Laie nicht klar ist, woher die beim Smartphone kommen soll) und das wirft wiederum die Frage auf, ob die Sony-Kamera eine solche hat. Bei meinem Audiorekorder (Roland R05) kann ich die zuschalten, aber im Menü der AX100e habe ich keine passende Option gefunden. Hier wird das Prinzip von Versuch und Irrtum Klarheit schaffen. (Update vom 13. Februar:) Es funktioniert trotzdem problemlos: Einfach Rode-SmartLav-Mik über den TRRS to TRS-Adapber (SC3) einstecken, und schon nutzt es die Sony-Kamera¹.

Äh, wo war ich? Genau, bei der Kamera. Ich habe die AX100e inzwischen für zwei Projekte verwendet und setze sie gerne ein: Sie macht einen robusten Eindruck. Ich mag den Drehring am Zeiss-Objektiv, der wahlweise manuelles Fokussieren oder Zoomen erlaubt. Es gibt die sehr schöne Funktion der Kantenanhebung: Mit der werden die scharfen Bereiche im Bild weiss hervorgehoben, sodass man sofort sieht, wohin man manuell fokussiert. Es gibt auch einen Knopf zur Vergrösserung des Fokuspunkts, sodass man die Wahl hat, wie man arbeiten möchte.

Die Aufnahmeparameter lassen sich auch manuell einstellen: Der Vorteil einer semiprofessionellen Kamera. Ein kleines Drehrad links unterhalb des Objektiv dient dazu, Gain (Belichtungskorrektur), ISO und Blende zu wählen. Den Weissabgleich stellt man manuell über ein Farbraster ein: Durchdacht.

Und wo wir bei den Semipro-Funktionen sind: Tasten dürfen mit eigenen Funktionen wie Weissabgleich, Fokus, AGC-Begrenzung, Szenenwahl, Selektion von Farbanmutungen wie Cinematone, Selbstauslöser, etc. belegt werden. Die Vorgehensweise dafür ist aber umständlich. Und man kann die Kamera nicht nur über das Display, sondern auch den Sucher nutzen, was man vor allem bei sehr hellen Lichtverhältnissen tut. Ich muss hier zerknirscht zu Protokoll geben, dass ich im Handbuch nachlesen musste, wie man den Sucher benutzt: Die für Still-Fotografen überraschende Antwort: Man zieht ihn heraus.

Codecdiskussionen

Die Bildqualität ist auch mit der AVCHD-Einstellung untadelig. Die anderen Modi mit höheren Datenraten sind XAVC S HD und XAVC S 4K, wobei man sich natürlich fragen kann, ob H.264 nicht praktischer wäre. Aber da Final Cut diese Codecs unterstützt, habe ich mich entschieden, mich auf keine Codecdiskussionen (mit mir selbst) einzulassen.

Das artet bekanntlich sehr schnell aus… Bei den Framerate-Einstellungen darf man zwischen 50i, 50p und 25p wählen. Ich mag den Zeilensprung nicht (gibt auch hässliche Standbilder) und bin der Ansicht, dass für Internet-Videos 25p ausreicht. Aber auch das ist eines der nebensächlichen Details, von denen es in diesem Beitrag sehr viele gibt. 😉

Die Kamera kann Zeitraffer, Zeitlupe und Surround-Sound aufnehmen, auch direkt auf externe Speichermedien (Festplatten) aufzeichnen und benutzt werden, wenn sie am Strom hängt. Es gibt einen Nightshot-Modus, bei dem ich noch nicht abschliessend herausgefunden habe, wieviel er taugt.

Golf? Voice cancelling?

Zu bemängeln ist, dass das per Touch-Screen gesteuerte Menü manchmal etwas träge reagiert und IMHO nicht sehr intuitiv ist. Manche Funktionen, die ich per Zufall gefunden habe, muss ich, wenn ich sie wirklich benutzen will, dann lange suchen. Gut, das kann auch daran liegen, dass ich bis jetzt noch nicht mit einer Sony-Kamera gearbeitet habe.

Und die Kamera weist einige seltsame Chi­chi-Funktionen auf: Namentlich den Golf-Modus (wtf?) und My Voice Canceling (omg): Letztere rechnet die Stimme des Filmenden aus der Aufnahme heraus, damit man (Beispiel von Sony) seine Kinder beim Sportanlass aus voller Lunge anfeuern kann, ohne dass das dann in der Aufnahme nervt.

Die Fernsteuerung: Funzt prächtig!

Fazit: Ein zweckdienliches Werkzeug, das man gern benutzt. Das eigentliche Highlight für mich sind die Fernbedienungsmöglichkeiten. Davon gibt es zwei: Eine simple Infrarot-Fernbedienung für Aufnahme und Zoom, sowie Wiedergabe und Menüsteuerung.

Und die zweite via WLAN und Smartphone. Beide funktionieren einwandfrei und sind eine Riesenerleichterung: Wenn man, wie ich, sich selbst aufnimmt, muss man nicht seine Position verlassen, um die Aufnahme zu starten, sondern kann sich in aller Ruhe auf den Einsatz vorbereiten und den roten Knopf drücken, wenn man parat ist.

Fussnoten

1) Falls das Mikro verkabelt nicht funktioniert hätte, dann hätte ich eine Ausrede für eine kabellose Lösung gehabt. Für den Rodelink legt der Røde-Support die Hand ins Feuer. Allerdings ist das nun auch nicht die Art von Schnäppchen, die ich für meinen Anwendungsfall vor mir rechtfertigen könnte. Aber es geht womöglich auch noch billiger.

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