In Tablet-Form kann Windows 8 sich sehen lassen

Ab heute ist Microsofts Surface-Tablet in der Schweiz offiziell erhältlich.

Heute kommt Microsofts eigenes Tablet, der Surface in der Schweiz in den Handel. 559 Franken kostet die 32 GB-Variante ohne Touch-Cover, mit dem Touch-Cover sind 659 Franken zu berappen. Die 64-GB-Variante kostet 659 Franken ohne und 759 Franken mit Touch-Cover (Preise von microsoftstore.ch).

Das Tablet, das dank Stand und Touch Cover auch ein Laptop abgibt.

Nachdem das Gerät in den USA seit Oktober 2012 im Handel ist und man einiges darüber lesen konnte, war ich gespannt, nun endlich ein zur Verfügung gestelltes Testgerät in der Hand zu halten – und Windows 8 zum ersten Mal nicht per Maus auf einem herkömmlichen PC zu verwenden, sondern mit Finger und den Touch-Gesten zu steuern.

Im Hochformat gar schlank und aufgeschossen

Nach dem «Unboxing» drängt sich, ganz unvermeidlich, der Vergleich zum iPad auf. Der Surface ist, mit seinem Display im 19:6-Format, deutlich breiter als das iPad mit seinem 4:3-Format, aber weniger hoch. Das prädestiniert den Surface für den Filmkonsum. Filme im 16:9-Format erscheinen ohne Letterbox. Im Hochformat wirkt 16:9 allerdings zu lang und schmal. Beim Lesen im Browser oder in der Kindle-App ist das Format so ungewohnt, dass ich mich nicht so schnell daran gewöhnen werde. Beim Gewicht ist kaum ein Unterschied festzustellen: 680 Gramm sind es beim Surface, 652 Gramm beim iPad.

Etwas breiter, dafür weniger hoch als das iPad.

Das iPad liegt mit seiner Alu-Rückseite und den abgerundeten Ecken etwas besser in der Hand als der Surface, der ein Gehäuse aus Kunststoff (edit: Das Material nennt sich Vapor Mg und ist eine Magnesiumschmelzlegierung) und einen leicht trapezförmigen Seitenriss hat (die Vorderfläche ist etwas grösser als die Rückseite).

Auf der Touch-Oberfläche hinterlässt man beim Gebrauch sowohl auf dem iPad als auch beim Surface innert Sekunden seine Fingerabdrücke. Beim iPad wirkt die Oberfläche auf mein Auge etwas sauberer – was an der Oberfläche oder am reinigenden Mikrofasergewebe des iPad-Smartcovers liegen könnte. Gut gefällt mir der eingebaute Standfuss des Surface. Er ist fix an der Hinterseite angebracht und wird mit einer Fingerbewegung ausgeklappt. Das geht schneller als das iPad-Smartcover zum Ständer zu falten und sicher zu positionieren.

Die Schutzhüllen, auf denen man tippen kann

Bei unserem Testgerät war sowohl das Touch Cover als auch das Type Cover dabei. Das Touch Cover (130 Franken Einzelpreis) ist eine drei Millimeter dünne, leichte Schutzhülle, mit der man gleichzeitig tippen kann. Die Tasten sind berührungssensitiv, bieten aber keinen Druckwiderstand und sind nur um den Bruchteil eines Millimeters von der Oberfläche abgehoben.

Das macht es relativ schwer, sie zu ertasten und die Finger beim Zehnfingersystem richtig zu platzieren. Hat man sich daran gewöhnt, schreibt man dennoch erstaunlich schnell und verursacht auch kaum Tippfehler, beispielsweise, indem man die Finger auf dem Keyboard ruhen lässt, ohne zu drücken. Dennoch dürfte das Touch Cover eine Geschmackssache sein. Man spart etwas Platz und minim Gewicht (209 vs. 218 Gramm) und es passt optisch besser zum Tablet. Aber wenn man sich beim Tippen nicht wohl fühlt und viel Text zu erfassen gedenkt, greift man besser zum Type Cover. Microsoft gibt an, dass man mit dem Touch Cover rund doppelt so schnell tippen kann, als mit der On-Screen-Tastatur.

Das Type Cover (140 Franken) ist eine mechanische Tastatur, deren Tasten einen gewissen (wenngleich geringen) Hub haben und bei der man die Tasten-Zwischenräume mit den Fingerspitzen deutlich spürt und so die Grundposition der Hände leichter findet. Ausserdem erhält man beim Tippen ein Klacken als akustische Rückmeldung, während man beim Touch Cover geräuschlos schreibt.

Schutzabdeckung und Tastatur in einem: Das Touch Cover links und das Type Cover rechts.

Beide Tastaturen weisen ein kapazitives Touchfeld auf, das auch beim Touch Cover erstaunlich gut arbeitet. Es gibt bei beiden Covern Tasten für die Lautstärke, die Charms-Leiste, Multimedia-Steuer-Tasten und die bei Windows 8 noch wichtigere Windows-Taste. Die Tastatur wird magnetisch an den Surface angedockt, was einen relativ charakteristischen Klick-Laut verursacht, den Microsoft bereits in der Werbung verwendet.

Die Touch Covers gibt es in Weiss, Schwarz und Cyan, das Type Cover nur in Schwarz.

Die Inbetriebnahme verläuft unkompliziert und erfreulich, wenn man sich mit einem Microsoft-Konto anmeldet, das bereits eingerichtet ist. Der Startbildschirm erscheint dann so, wie man ihn auf einem anderen Windows-8-Rechner eingerichtet hat und die Live-Tiles sind bereits «lebendig»: Der Kalender kennt längst alle Termine, die Kontakte sind vorhanden, die Mailkonten konfiguriert und auch im Internet Explorer findet man seine Favoriten vor.

Im Startbildschirm fehlen die klassischen Windows-Anwendungen, die bei dem Surface mit Windows RT nicht ausgeführt werden können. Denn, man kann es nicht oft genug erwähnen: Die Windows-RT-Version für Geräte mit dem stromsparenden ARM-Prozessor führt nur Apps aus dem Store aus. Auf dem klassischen Desktop stehen Office, der Internet Explorer und einige Windows-Anwendungen wie Notepad, Paint, der Explorer, Rechner, das Snipping Tool und die Power-Shell zur Verfügung. Herkömmliche Windows-Fenster-Anwendungen sind nicht kompatibel!

Bereits von Haus aus vorinstalliert ist eine RT-Version von Office 2013, die Word, Excel, Powerpoint und One Note, aber kein Outlook umfasst. Das ist ein gewisser Nachteil, zumal die Mail-App nur rudimentärsten Ansprüchen genügt. Das dürfte für viele Nutzer K.-o.-Kriterium sein – wer Outlook benötigt, sollte sich für ein Notebook oder Convertible mit Windows 8 entscheiden.

Lernen, wie man wischt

Mit der Touch-Bedienung kommt man recht schnell zurecht – wenn man grundsätzlich mit Windows 8 vertraut ist. Als Anwender, der bislang mit Windows 7 oder einer älteren Version ist man unter Umständen verloren – immerhin wird beim Initial-Setup darauf hingewiesen, wie wichtig die vom Bildschirmrand nach innen ausgeführten Gesten sind: Führt man den Finger vom linken Rand nach Innen, blättert man durch die offenen Apps.

Das Wischen von rechts bringt die Charms-Leiste zum Vorschein, die am rechten Rand Funktionen wie die Suche, Teilen, die Geräteverwaltung und die Einstellungen enthält. Wischt man von unten, erscheint das App-spezifische Menüband. Und durch Wischen von oben platziert man die Apps auf dem Bildschirm – man kann eine App in schmaler Form an den rechten oder linken Bildschirmrand schieben und eine zweite in breiter Form daneben setzen, um dann beide gleichzeitig im Blick zu haben. Die Windows-Taste am unteren Bildschirmrand erklärt sich (fast) von selbst: Das ist die Home-Taste, mit der man zum Startbildschirm gelangt.

Tablets im Grössenvergleich: Links das Nexus 7 von Google, in der Mitte Microsoft Surface, rechts das iPad 3.

Die Touch-Bedienung in den Apps bereitet keinerlei Probleme. Interessant war aber zu sehen, wie man in der Desktop-Oberfläche mit den klassischen Windows-Anwendungen zurecht kommt. Die Taskleiste ist für meinen Geschmack zu klein ausgefallen: Das richtige Icon zu treffen, gelingt einem, wenn das Tablet ruhig auf dem Schreibtisch liegt – doch unterwegs, im Zug oder Tram, dürfte man des Öfteren daneben fassen.

Auch die Symbole im Menüband des Windows-Explorers sind schwierig zu treffen – und es ist durchaus ärgerlich, wenn man den Befehl Löschen erwischt, obwohl man eigentlich auf Umbenennen gezielt hat. Der so genannte Fingereingabemodus in Office, der die Eingabeelemente etwas weiter auseinandersetzt, erleichtert die Bedienung spürbar. Trotzdem: Die Feinmotoriker sind im Vorteil.

Office zur Verfügung zu haben, ist denn auch der grösste Pluspunkt, den sich das Surface-Tablet im Vergleich mit dem iPad herausschlagen konnte. Die Covers mit der integrierten Tastatur sind ebenfalls ein grosses Plus: Sie machen das Mailschreiben und die Status-Updates auf Facebook, aber auch die Eingabe von Passwörtern ein Quäntchen leichter. Die Anzeige ist flüssig und selbst bei wildem Scrollen hinkt die Anzeige nie hinterher. Die Batterielaufzeit konnte ich bislang noch nicht messen; sie liegt aber im Bereich von sieben bis acht Stunden, wie man es auch von anderen Tablets gewohnt ist.

Apps als Adware

Der grösste Minuspunkt ist nach wie vor das bescheidene Angebot an Apps. Microsoft hat in den letzten Monaten zwar aufgeholt. Dennoch müsste ich auf meine Lieblings-Bildbearbeitungs-App Snapseed, auf Google Plus, Soundcloud, Instacast oder Tweetbot verzichten – und eine Killer-App, die ihresgleichen auf den anderen Plattformen sucht, ist für Windows 8 bislang nicht in Sicht. Umso weniger verständlich für mich, dass Microsoft es sich nicht verkneifen konnte, Werbung in die Apps zu streuen.

Die ansonsten liebevoll gemachte Wetter-App zeigt beispielsweise zwischen der stündlichen Vorhersage und den Wetterkarten ein Banner an. Das hätte man besser bleiben lassen – es dürfte für Microsoft keine relevante Einnahmequelle sein. Aber Adware lässt das Produkt billiger aussehen, als es ist.

Fazit: Der Surface ist ein solides Stück Hardware, die mit den Tastatur-Covern und dem auskappbaren Ständer innovative Ideen bereithält und bestens mit Windows 8 harmoniert – auf dem Tablet ergibt das auf die Gestensteuerung hin optimierte Betriebssystem erst richtig Sinn. Für in der Windows-Welt verwurzelte User, denen Office und ein Hardware-Keyboard wichtiger sind als eine Unzahl an fancy Apps ist Microsofts Surface eine gute Alternative sowohl zum iPad als auch zu einem Android-Tablet. Was fehlt, sind 4G-/LTE-Modelle. Denn genauso wie manche Nutzer ein iPad mit eingebauter Konnektivität schätzen, wäre das auch beim Windows-Tablet eine sinnvolle Ergänzung.

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